Osteomalazie

Häufigkeit (häufig)


chronische Erkrankungen: 2% - 10%
akute Erkrankungen: 5% - 25%

Osteomalazie (Knochenerweichung): Knochenerkrankung infolge einer Mineralisationsstörung, durch die der Knochen seine Stabilität verliert. Ihre Ursache ist meist ein Vitamin-D-Mangel. Zu den Beschwerden gehören Knochenschmerzen und Muskelschwäche bis hin zu Gehstörungen. In ausgeprägten Fällen verformen sich die Knochen, außerdem drohen Ermüdungsbrüche an Becken und Steißbein. Behandelt wird die Osteomalazie mit Vitamin D und Kalzium. Bei Fehlstellungen oder Brüchen sind manchmal orthopädische Hilfsmittel oder korrigierende Operationen erforderlich.

Hinweis: Die Knochenerweichung durch Vitamin-D-Mangel im Kindesalter wird Rachitis genannt. Näheres dazu siehe dort.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Knochenschmerzen, die sich beim Anspannen von Muskeln verstärken
  • Muskelschwäche
  • Gehstörungen
  • verformte Rippen, X- oder O-Beine (bei Erwachsenen selten).

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, bei

  • Knochen- oder Muskelschmerzen ohne erklärbare Ursache.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Knochen setzen sich zusammen aus Knochenzellen und Knochengewebe, das von den Knochenzellen gebildet wird. Damit das Knochengewebe fest und stabil wird, müssen u. a. Kalzium und Phosphat eingelagert werden. Dieser Prozess wird Mineralisation genannt und von Hormonen gesteuert.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei Vitamin D. Das wird entweder unter dem Einfluss von Sonnenstrahlung, also UV-Licht, in der Haut gebildet oder über die Nahrung aufgenommen. Damit es auch wirkt, durchläuft es im Körper noch verschiedene Aktivierungsprozesse. Vitamin D fördert die Mineralisation auf zwei Arten:

  • Es steigert die Aufnahme von Kalzium und Phosphat aus dem Darm, sorgt also dafür, dass mehr Vitamin D aus der Nahrung im Körper ankommt.
  • Es regt den Einbau von Kalzium und Phosphat in das Knochengewebe an.

Ein gesunder Knochen befindet sich ständig im Auf- und Abbau, dem sogenannten Remodelling. Bei einem Mangel an Vitamin D wird das neu gebildete Knochengewebe allerdings nicht ausreichend mineralisiert. Der Knochen bleibt weich und kann sich verformen. Der geschwächte Knochen bricht auch leichter, vor allem in Belastungszonen wie am Becken oder am Schienbein (sog. Ermüdungsbrüche). Zur Knochenerweichung kann es aber auch unabhängig von Vitamin D kommen. Das ist z. B. bei einem extremen Kalziummangel der Fall oder wenn Phosphat fehlt.

Hinweis: Osteomalazie und Osteoporose haben ähnliche klinische Auswirkungen, unterscheiden sich aber in ihrer Krankheitsentstehung. Bei der Osteomalazie ist die Mineralisation des Knochens und damit der Knochenaufbau gestört. Bei der Osteoporose handelt es sich dagegen um eine Abnahme der normal mineralisierten Knochenmasse durch einen verstärkten Knochenabbau.

Ursachen für die Osteomalazie

Die mit Abstand häufigste Ursache für die Osteomalazie ist der Vitamin-D-Mangel oder Störungen bei der Aktivierung des Vitamins im Vitamin-D-Stoffwechsel, z. B. durch

  • mangelndes Sonnenlicht
  • zu geringe Aufnahme über die Nahrung
  • Dünndarmerkrankungen, bei denen über die erkrankte Darmschleimhaut kein Vitamin D3 aufgenommen werden kann
  • Leber- und Nierenerkrankungen, wodurch die Aktivierung des Vitamins zu Calcidiol oder Calcitriol gestört wird.

Ein Mangel an Phosphat kann die nötige Mineralisierung des Knochens ebenfalls verhindern. Dafür gibt es verschiedene Ursachen:

  • Zu geringe Phosphataufnahme durch die Ernährung, z. B. bei chronischem Hungern oder Malabsorptionsstörungen des Darms, z. B. Zöliakie oder Morbus Crohn
  • Langfristige Einnahme von aluminiumhaltigen Säurebindern (Antazida). Sie binden Phosphat im Verdauungstrakt und führen dazu, dass es vermehrt über den Darm ausgeschieden wird
  • Verstärkter Phosphatverlust über die Niere. Dies kommt z. B. bei Nierenerkrankungen oder im Rahmen von Hormonstörungen bei Krebserkrankungen (onkogene Osteomalazie) vor.

Eine weitere Ursache für die Osteomalazie ist ein ausgeprägter Kalziummangel, z. B. ernährungsbedingt (vegane Ernährung) oder aufgrund von Nierenerkrankungen.

Vorkommen

Genaue Zahlen zur Osteomalazie in Deutschland gibt es nicht. Man weiß aber, dass vor allem alte Menschen oft unter einem Vitamin-D-Mangel und dadurch unter einer Knochenerweichung leiden. Schätzungen gehen davon aus, dass jeder dritte Oberschenkelhalsbruch im Alter einer Osteomalazie zuzuschreiben ist.

Immigrantenosteomalazie

Besonders gefährdet für eine Osteomalazie sind zudem Einwandernde mit dunkler Hautfarbe. Sie brauchen mehr UV-Licht, um in ihrer Haut Vitamin D3 zu bilden, bekommen in den weniger sonnigen Ländern Mittel- und Nordeuropas aber oft zu wenig davon ab. Durch kulturelle Besonderheiten (verhüllende Kleidung, Vermeiden von Aufenthalten im Freien) wird der Mangel an UV noch verstärkt und die Vitamin-D3-Produktion zusätzlich eingeschränkt. Die so entstehende Immigrantenosteomalazie betrifft Untersuchungen zufolge jede zehnte türkische Einwander*in, darunter vor allem Frauen.

Klinik

Die Osteomalazie des Erwachsenen zeichnet sich vor allem durch Knochenschmerzen aus. Sie entstehen u. a. dadurch, dass sich der erweichte Knochen verformt und dadurch die empfindliche Knochenhaut gedehnt wird. Neben den Knochenschmerzen leiden die Patient*innen durch den Mangel an Kalzium auch unter Muskelschwäche, die bis zu Problemen beim Gehen führen können.

Bei Osteomalazie kommt es auch leicht zu Insuffizienzfrakturen. Das sind Knochenbrüche, die bei gestörter Knochenstruktur schon unter normaler Belastung entstehen. Betroffen sind dabei vor allem das Steißbein und der Beckenbereich, aber auch der Vorfuß und das Schienbein.

Diagnosesicherung

Unklare Knochenschmerzen, Muskelschwäche oder Ermüdungsbrüche lassen schnell an eine Störung des Knochenstoffwechsels denken. Labor und bildgebende Diagnostik helfen dabei, diese zu differenzieren.

Labordiagnostik

Im Labor untersucht werden dabei Urin und Blut. Dort lassen sich Abweichungen bei der Messung von Kalzium, Phosphat und Vitamin D finden. Im Blut ist zudem die alkalische Phosphatase (AP) erhöht. Das ist ein Enzym, das am Knochenaufbau beteiligt ist.

Bildgebende Verfahren und Biopsie

Im Röntgenbild zeigen sich bei einer Osteomalazie frühzeitig typische Veränderungen. Dabei handelt es sich um sogenannte Looser-Zonen. Darunter versteht man bandförmige Aufhellungen im Knochen als Zeichen für die nicht verkalkte/mineralisierte Knochensubstanz. In sehr seltenen Fällen (z. B. bei einem Verdacht auf eine nierenbedingte Osteomalazie) entnimmt die Ärzt*in eine Probe aus dem Knochengewebe und lässt diese unter dem Mikroskop untersuchen. (Biopsie).

Ermüdungsbrüche sind im normalen Röntgenbild oft nicht gut zu erkennen. Um sie aufzuspüren, setzt man eher die Knochenszintigrafie. Eine Knochendichtemessung hilft dagegen kaum weiter, weil diese die Osteomalazie nicht von der Osteoporose unterscheiden kann.

Differenzialdiagnose. Abgegrenzt werden muss die Osteomalazie vor allem gegenüber der Osteoporose.

Behandlung

Die Behandlung der Osteomalazie hängt von ihrer Ursache ab. Bei einem Mangel an Vitamin D3 bekommt die Patient*in Vitamin-D3-Präparate als Tabletten, Kapseln oder Tropfen zur täglichen Einnahme. Ist die Vitamin-D-Aufnahme über die Darmschleimhaut gestört – z. B. bei chronischen Darmerkrankungen – kann das Vitamin auch über Spritzen in den Muskel zugeführt werden. Liegt der Osteomalazie eine gestörte Aktivierung des D3-Vitamins zugrunde, muss Calcitriol, also die bereits aktivierte Form des Vitamins, verabreicht werden. Damit das Vitamin wirken kann, muss sich die Patient*in während der Therapie kalziumreich ernähren, oft verordnet die Ärzt*in auch zusätzlich Kalziumtabletten.

Bei einer Osteomalazie aufgrund von erhöhtem Phosphatverlust wird das Phosphat durch Nahrungsergänzungsmittel ersetzt.

Orthopädische Behandlungen

Ermüdungsbrüche können meist konservativ therapiert werden. Eine komplette Ruhigstellung der betroffenen Gliedmaße ist selten nötig, meist reicht es, Belastungen zu vermindern. Dabei helfen Orthesen und Unterarm-Gehstützen. Heilt der Knochen innerhalb von sechs Monaten nicht vollständig, muss operiert werden. Dazu gibt es je nach Befund verschiedene Verfahren:

  • Eine verzögerte Heilung lässt sich durch das Anbohren des betroffenen Knochens stimulieren.
  • Liegen mehrere Knochenbruchstücke vor, muss die Chirurg*in diese mittels Platten oder Schrauben verbinden und stabilisieren (Osteosynthese).
  • Manchmal bildet sich bei der Heilung zu viel neuer Knochen aus. Dieses Gewebe (Kallus genannt) muss dann vom Chirurgen abgetragen werden.

Prognose

Wenn die Osteomalazie früh erkannt und behandelt wird, ist die Prognose gut.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Körperliche Schonung. In der Heilungsphase einer Osteomalazie sollten sich die Betroffenen etwas schonen. Solange der Knochen noch nicht nachgehärtet ist, drohen sonst (weitere) Brüche.

Kontrollierte Bewegung. Sport sollte immer nur in Rücksprache mit der behandelnden Orthopäd*in erfolgen. Eine speziell angepasste Physiotherapie hilft, die Muskeln zu stärken, ohne den Knochen zu gefährden.

Prävention

Sonnenlicht. Zur Vorbeugung einer Osteomalazie ist es ratsam, sich regelmäßig dem Sonnenlicht auszusetzen. Dazu muss man nicht stundenlang sonnenbaden, es reicht, wenn Hände, Arme und Gesicht täglich 15 Minuten UV-Licht abbekommen.

Ernährung. Auf dem Speiseplan sollten Vitamin-D-reiche Nahrungsmittel stehen. Dazu gehören Hering, Lachs und Sardinen. Auch Lebertran, Eigelb und viele Speisepilze enthalten das Vitamin.

Vitamin-D-Präparate. Menschen, die sich kaum im Freien aufhalten, Senior*innen und dunkelhäutigen Personen wird die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten empfohlen. Das sollte jedoch nur in Absprache mit der behandelnden Ärzt*in und nach Überprüfung der Vitamin-D-Werte im Blut erfolgen. Denn auch wenn eine Überdosierung mit Vitamin D selten ist, kann sie vorkommen. Sie macht sich durch Erbrechen und Übelkeit bemerkbar, langfristig drohen Nierenschäden.

Quelle: Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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