Abspecken bessert den Blutzucker
Übergewichtige Menschen mit Typ-2-Diabetes können allein durch Gewichtsreduktion ihren Blutzucker normalisieren. Medikamente, die wie Darmhormone wirken, helfen ihnen beim Abspecken.
Nicht nur auf den Zucker konzentrieren
Jahrzehnte lang hieß es, dass das Gewicht beim Typ-2-Diabetes keine große Rolle spielt. Stattdessen konzentrierte man sich vor allem auf die Einstellung des Blutzuckers bzw. des HbA1c, den Wert für die langfristige Blutzucker-Kontrolle. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass Übergewicht ein entscheidender Faktor beim sog. Alterszucker ist. In verschiedenen Studien konnten stark übergewichtige (adipöse) Patient*innen mit Typ-2-Diabetes allein durch eine radikale Gewichtsabnahme ihren Blutzucker dauerhaft normalisieren, berichtet Prof. Dr. Stephan Martin.
Herz profitiert auch
Andere Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Typ-2-Diabetiker*innen durch das Abspecken nicht nur in puncto Blutzucker profitieren. Die Gewichtsabnahme senkt auch die Rate an Herz-Kreislauf-Ereignissen wie Schlaganfall und Herzinfarkt. Abnehmen wird deshalb nun zur zentralen Strategie beim Typ-2-Diabetes.
Allein mit Lebensstil-Änderungen ist es allerdings schwer, die nötigen Pfunde loszuwerden. Denn das Gehirn tut alles dafür, die körperlichen Reserven zu behalten oder wieder aufzufüllen.
Medikamente gegen den inneren Schweinehund
Gegen diesen neuroendokrinen Regelkreis helfen moderne Medikamente. Sie sind Darmhormonen nachempfunden und verstärken das Sättigungsgefühl nach einer Mahlzeit. Die ersten beiden Vertreter, Liraglutid und Semaglutid, imitieren das Glukagon-like-Peptide (GLP) und führen zu einer Gewichtsabnahme von 10 bis 15%. Nebenbei sinkt zudem das HbA1c.
Tirzepatid imitiert außer GLP ein weiteres Darmhormon (GIP, Glukoseabhängiges insulinotropes Polypeptid) und löst dadurch eine noch stärkere Gewichtsabnahme aus. Sogar ein Triple-Agonist ist im Anmarsch: Reratrutid aktiviert zusätzlich den Glukagonrezeptor im Darm, soll noch mehr Kilos zum Verschwinden bringen und das HbA1c um 2 Prozentpunkte reduzieren.
Die neuen Medikamente haben auch Nebenwirkungen, v.a. Übelkeit, Durchfall und Blähungen. Sie können Schwindel und Geschmacksstörungen auslösen und Gallensteine begünstigen. Deshalb sind sie auch rezeptpflichtig und sollen nur nach ärztlichem Rat verwendet werden.
Die genannten Wirkstoffe werden wöchentlich unter die Haut gespritzt. Semaglutid gibt es auch als Tablette, wird aber über den Darm schlecht aufgenommen. Weitere orale Formulierungen werden aktuell erarbeitet, insgesamt sind über 30 Wirkstoffe gegen Adipositas in der Forschung. Neben der „Wunderspritze“ gegen das Fett erobert womöglich auch bald die „Wunderpille“ die Therapie gegen Übergewicht, vermutet Martin.
Quelle: Ärztezeitung