Augen auf beim Herbstspaziergang
Die Sonne lacht, die glühende Sommerhitze ist vorüber und die Blätter an Bäumen und Sträuchern wechseln ihre Farbe: Für viele ist der Herbst die schönste Jahreszeit in der Natur. Doch ein Herbstspaziergang kann auch gefährlich werden. Wer dabei unbedacht von Beeren oder anderen Früchten nascht oder die falschen Pilze sammelt und verzehrt, handelt sich leicht eine Vergiftung ein. Besonders gefährdet sind Kleinkinder, die gern alles in den Mund stecken. Lesen Sie in unserem Ratgeber, welche Früchte im Herbst giftig sind, wie sich Vergiftungen bemerkbar machen und was Sie im Verdachtsfall tun müssen.
Giftgefahr nach Sommerblüte
Nach der sommerlichen Blüte reifen bei vielen Bäumen und Sträuchern die Samen und Beeren heran. Viele sind harmlos, manche aber hochgiftig. Vor allem Kleinkinder probieren die roten, blauen oder weißen Beeren gerne oder spielen mit den interessanten Hülsen. Doch in einigen der verlockenden Früchte stecken hochgiftige Substanzen wie Alkaloide, Cytisin oder Ricin. Folgende Beeren sind besonders gefährlich:
- Tollkirsche. Die Tollkirsche bildet nach der Blüte schwarze, glänzende, kirschgroße Beeren, die gar nicht so unangenehm schmecken. Im Gegensatz zu Kirschen sitzen die Beeren an einem sehr kurzen Stiel, außerdem hat die Tollkirsche keinen Stein, sondern einzelne Samen. Für Kleinkinder ist der Verzehr von 3 bis 5, für Erwachsene von 10 bis 20 Tollkirschen lebensgefährlich. Ihr Giftcocktail besteht aus den Alkaloiden Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin, typische Vergiftungszeichen sind
- geweitete Pupillen (Mydriasis)
- Mundtrockenheit
- Überwärmung des Körpers (Hyperthermie)
- Herzklopfen, Angst, Erregung, Halluzinationen.
- Unbehandelt drohen Bewusstlosigkeit und Tod durch Atemstillstand.
- Stechapfel und Bilsenkraut. Auch diese beiden Pflanzen tragen als Gift Alkaloide in sich, die Vergiftungszeichen sind die gleichen wie bei einer Tollkirschenvergiftung. Stechapfelvergiftungen erfolgen durch den Verzehr der Samen, die in einer stacheligen, kastanienartigen Kapsel sitzen und kleine Kinder zum Spielen und Probieren verführen. Auch beim Bilsenkraut ist der Samen der Giftträger. In der eiförmigen Frucht stecken etwa 200 schwarze, leicht mit Mohnsamen zu verwechselnde Samen, von denen schon 15 für Kinder tödlich sind.
- Goldregen. Beim Goldregen ist die ganze Pflanze giftig. Für Kinder als Spielzeug besonders verlockend sind seine Hülsenfrüchte. Die darinsitzenden bohnenförmigen Samen enthalten das hoch giftige Cytisin, dass in den Nervenzellen wie Nikotin wirkt. Pro Hülse finden sich etwa 5 Samen, das Verschlucken von 15 bis 20 Samen ist für Kinder tödlich. Typische Vergiftungszeichen des Cytisins sind
- Speichelfluss
- Schweißausbruch
- starkes Erbrechen
- Kreislaufstörungen und Erregungszustände.
- Unbehandelt droht Tod durch Krampfanfälle und Atemstillstand.
- Gefleckter Schierling. Dieses hochgiftige Doldengewächs mit seinem Duft nach Mäuseurin ist eigentlich wenig appetitlich zum Verzehr. Trotzdem kommt es auch mit Geflecktem Schierling immer wieder zu Vergiftungen.50 bis 100 g der eiförmigen, bis zu 3,5 mm langen Früchte sind tödlich. Das Gift heißt Coniin, typische Vergiftungszeichen sind
- Brennen im Mund, Speichelfluss
- Erbrechen und Durchfall
- Sehstörungen
- aufsteigende Lähmung, beginnend an den Beinen über den Rumpf bis zu den Gesichtsmuskeln.
- Unbehandelt droht Tod durch Lähmung der Atemmuskulatur bei vollem Bewusstsein.
- Rizinus. Das Gift des Rizinus oder Wunderbaums ist das hoch toxische Ricin. Es steckt in Samen, die aussehen wie vollgesaugte Zecken. Für eine Vergiftung müssen die Samen gekaut werden, denn nur so wird das Gift aufgenommen. Da sie recht gut schmecken, verzehren Kinder leicht mehrere davon. Etwa 8 Samen reichen, um die tödliche Dosis aufzunehmen. Vergiftungserscheinungen sind
- Bauchschmerzen
- Durchfall
- schmerzhafter Stuhl- und Harndrang.
- Unbehandelt droht Tod durch Kreislaufkollaps und Nierenversagen.
- Seidelbast. Beim Seidelbast sind in der Rinde Daphnetoxin und in den orangeroten Beeren das Gift Mezerin enthalten. Als tödliche Dosis gelten für Erwachsene 20, für Kinder etwa 10 Beeren. Die Vergiftung zeigt sich durch
- Schwellung, Brennen und Blasenbildung im Mund
- Schluckbeschwerden, Durstgefühl
- Blasenbildung und Juckreiz, Hautnekrosen bei Aufnahme des Giftes über die Haut
- Erbrechen, blutiger Durchfall
- Verwirrtheit, Kreislaufstörungen.
- Unbehandelt droht Tod durch Nierenversagen.
- Eibe. Rinde, Nadeln und Samen der Eibe enthalten giftige Taxane. Der rote, beerenartige, den Samen umhüllende Samenmantel ist dagegen ungiftig. Taxane hemmen die Zellteilung (das Taxan Paclixatel wird deshalb therapeutisch als Krebsmedikamente bei Brust- und Eierstockkrebs eingesetzt). Vergiftungssymptome sind
- Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall
- erweiterte Pupillen
- Schwindel
- Herz-Kreislauf-Störungen, Schock.
- Unbehandelt droht Tod durch Herzstillstand oder Atemstillstand.
Tipp: Auf der Seite https://botanikus.de/informatives/beeren-und-fruechte-giftig-oder-ungiftig/ finden Sie Beeren und Früchte sortiert nach ihrer Farbe. So können Sie leicht bestimmen, mit welchen BeerenSie es in Ihrer Umgebung oder auf Ihren Spaziergängen zu tun haben und ob die Frucht giftig oder ungiftig ist.
Eisenhut und Herbstzeitlose
Nicht mit Beeren oder Samen, aber als gesamte Pflanze verlockend und tödlich giftig sind die beiden Herbstblüher Eisenhut und Herbstzeitlose.
- Eisenhut. Diese früher auch Wolfswurz genannte Pflanze gilt als die giftigste Europas. Schon die bloße Berührung kann die Haut schädigen, vor allem Kinder sind gefährdet, wenn sie von der leuchtend blauen Pflanze Teile abpflücken und sich in den Mund stecken. Das Gift des Eisenhuts ist Aconitin, 2 bis 15 g der Wurzelknollen sind tödlich. Aconitin erhöht die Durchlässigkeit der Zellwände für Natrium und wirkt auf vielerlei Art auf das zentrale Nervensystem und das Herz. Typische Vergiftungserscheinungen sind
- Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühl zunächst im Mund, an den Fingern und Zehen, später am ganzen Körper
- starkes Kältegefühl, niedriger Blutdruck
- Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
- sehr starke Schmerzen.
- Unbehandelt droht Tod durch Schock, Atemlähmung oder Herzrhythmusstörung (Kammerflimmern).
- Herbstzeitlose. An dieser hübschen rosafarbenen bis hellvioletten Pflanze ist alles giftig. Vor allem in ihren Samen und der Knolle findet sich das Gift Colchizin. Dieses ist ein Mitosehemmer, es hemmt also die Zellteilung und wird wie die oben genannten Taxane ebenfalls therapeutisch in der Krebstherapie eingesetzt. Die Vergiftungssymptome entwickeln sich schrittweise:
- 1. Tag: Brennen in Mund und Rachen, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall.
- Ab dem 2. Tag: Verwirrtheit, Atemnot, Blaufärbung von Fingerspitzen, Lippen oder Haut (Zyanose), Blutdruckabfall
- Krampfanfälle, Koma.
- Unbehandelt droht Tod durch Versagen von Lunge, Niere, Blutgerinnung und Kreislauf.
So schützt man Kinder vor Beeren-Vergiftung
Fast 90 % der kindlichen Vergiftungsunfälle betreffen Kinder unter 6 Jahren. Besonders gefährdet ist die Gruppe der Ein- bis Dreijährigen, die schon entwicklungspsychologisch „alles in den Mund stecken“. Doch wie kann man Kinder am Beeren-Naschen hindern? Experten haben folgende Tipps: • Kleinkinder nicht unbeaufsichtigt in der Natur spielen lassen.
- Sich selbst ausführlich über die Giftgefahren in Garten und Natur informieren.
- Kinder frühzeitig über die Giftigkeit von Pflanzen und Beeren aufklären.
- Auf Verwechslungsgefahren aufmerksam machen: Z. B. zeigen, wie sich eine Tollkirsche von einer Kirsche unterscheidet (Stiel, Kern).
- Niemals unbekannte Beeren sammeln lassen.
- Den eigenen Garten auf giftige Pflanzen kontrollieren und diese entfernen.
Pilzvergiftungen —eine Sache für große Genießer ….
Schießen im Herbst die Pilze aus dem Boden, stehen in den Giftnotrufzentralen die Telefone nicht mehr still. Denn das Pilzesammeln wird immer beliebter, und neben den Spezialisten sind auch zunehmend unkundige Pilzfreunde in den Wäldern unterwegs. Die Folge: Durch Verwechslung von Giftpilzen mit verzehrbaren Schwammerln und Röhrlingen landen regelmäßig auch Knollenblätterpilz, Giftschirmling oder Ölbaumpilz im Kochtopf — und führen zu schweren Pilzvergiftungen.
Knollenblätterpilz & Co. Am giftigsten sind Pilze mit den Giften Amanitin und anderen Amatoxinen, die zu tödlichem Leber- und Nierenversagen führen. Die gefährlichsten Vertreter sind der Grüne, der Weiße und der Spitzkegelige Knollenblätterpilz, die sehr leicht mit dem Grünen Täubling oder Champignons verwechselt werden. 10 g Pilz sind dabei schon tödlich, d.h. dass ein einziger Pilz in einer Pilzmahlzeit mehrere Personen töten kann. Die Vergiftungsbeschwerden sind trügerisch:
- Nach 8 bis 12 (maximal 36 Stunden) kommt es zu wiederholtem Erbrechen und Durchfall.
- Dann folgt eine kurze Phase der Besserung.
- Doch schon am 2. Tag beginnt die irreversible Leberschädigung, einige Tage später die Nierenschädigung.
Halluzinogene Giftpilze. Vergiftungen mit „Rauschpilzen“ erfolgen durch Verwechslung mit essbaren Pilzen oder absichtlich zur Herbeiführung eines Rauschzustands. Zum Glück sind die Vergiftungen meistens nicht tödlich, zu den bekanntesten Wirkstoffen gehören Ibotensäure, Pilzatropin (Muscimol), Psilocybin und Psilocin. Zu den beliebtesten Rauschpilzen zählen:
- Pantherpilz. Er ruft wie der Rote und der Braune Fliegenpilz und der Narzissengelbe Wulstling das sog. Pantherina-Syndrom hervor. Ihre „Wirkungen“ bzw. Vergiftungsbeschwerden beginnen frühzeitig, etwa 15 bis 30 Minuten nach Einnahme und enden meist mit einem tiefen Schlaf. Es kommt typischerweise zu
- Rauschzustand mit Halluzinationen
- weiten Pupillen
- Herzklopfen, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Gangstörungen
- selten zu tödlichen Krampfanfällen, Tobsuchtsanfällen oder Ersticken an Erbrochenem.
- Kahlköpfe, Düngerlinge und Glockenschüpplinge. Die Inhaltsstoffe Psilocybin und Psilocin setzen im Gehirn die wichtige Filterung von Sinneswahrnehmungen herab. Etwa 20 Minuten nach Aufnahme lösen sie für 5 bis 6 Stunden folgende Symptome aus:
- Halluzinationen
- verändertes Körperempfinden
- verändertes Raum- und Zeitgefühl
- Angst, Depression, Verwirrtheit bei zu hohen Dosen
- weite Pupillen, Herzklopfen und Bluthochdruck.
Wenn Pilz und Alkohol sich nicht vertragen …
Tintlinge und der Netzstielige Hexenröhrling tragen wiederum das Pilzgift Coprin in sich. Es wird durch Kochen in seine Wirkform umgebaut, die dann in der Leber das Enzym Acetaldehyddehydrogenase hemmt. Weil dieses Enzym zum Abbau von Alkohol benötigt wird, kommt es im Zusammenhang mit Alkoholkonsum zu Vergiftungserscheinungen. Dabei muss der Alkohol gar nicht gleichzeitig getrunken werden. Der Genuss von Wein & Co. kann noch bis zu 5 Tage nach der Pilzmahlzeit zu dem sogenannten Coprinus-Syndrom mit folgenden Beschwerden führen:
- Flush, Schweißausbruch
- Schwäche, Verwirrung
- Gefühl der Schwellung von Gesicht und Händen
- Übelkeit, Erbrechen
- Herzrasen, Atemnot, Pelzigkeit von Armen und Beinen.
Pilzvergiftung ohne Giftpilz
Pilze können auch ganz ohne Gift sehr schädlich für den Menschen sein. So kommt es z. B. beim Verzehr von verdorbenen oder ungenügend gegarten Pilzen zu Magen-Darm-Beschwerden. Manche Menschen haben auch eine individuelle Pilz-Unverträglichkeit oder Allergien, die vergiftungsähnliche Beschwerden auslösen.
Hinweis: Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie stellt eine Liste von Pilzen mit uneinheitlich beurteiltem Speisewert zur Verfügung (www.dgfm-ev.de). Hier finden Sie Pilze, bei denen regelmäßig Unverträglichkeiten auftreten und die nur mit Einschränkung als Speisepilz gelten.
Was tun bei Pilzvergiftung?
- Achtsam sein für Beschwerden. Falls nach einer Pilzmahlzeit (auch viele Stunden später noch!) körperliche Beschwerden auftreten, diese ernst nehmen.
- Arzt oder Giftzentrale kontaktieren! Je nach Ausmaß der Beschwerden den Hausarzt oder gleich das Krankenhaus aufsuchen. Bei großen Entfernungen oder starken Beschwerden den Notarzt alarmieren!
- Pilze sicherstellen. Pilzreste und Erbrochenes sicherstellen und ins Krankenhaus mitnehmen, damit die Identifikation von Pilzen und Gift möglich ist.
- Keine Selbsthilfe: Kein Erbrechen auslösen, ob mit Finger oder Salzwasser, keine Milch trinken!
Quellen: Dr. Antje Jelinek, DAZ 2018, Nr. 38, S. 28, www.kindersicherheit.de