Schienbeinfraktur

Häufigkeit (ziemlich selten)


chronische Erkrankungen: 0,1% - 0,4%
akute Erkrankungen: 0,2% - 1%

Schienbeinbruch: (Tibiafraktur): Isolierter Bruch des dickeren der beiden Unterschenkelknochen, dem Schienbein. Am häufigsten bricht das Schienbein durch Unfälle im Sport oder im Straßenverkehr. Die Folgen sind starke Schmerzen, Gehen und Stehen sind meist nicht möglich. Weil das Schienbein beinahe direkt unter der Haut liegt, ist der Bruch oft offen und Teile des Knochens ragen aus der Wunde. Einfache Brüche können konservativ durch Ruhigstellung im Gips behandelt werden. Offene oder kompliziertere Brüche erfordern dagegen eine operative Versorgung. Bei einfachen Brüchen ist die Prognose gut, ansonsten können Fehlstellungen oder Instabilitäten von Sprung- oder Kniegelenk zurückbleiben.

Hinweis: Sind Schienbein und Wadenbein gebrochen, spricht man von einer Unterschenkelfraktur.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Starke Schmerzen am Unterschenkel
  • Belastung und Beugung des Beins nicht möglich, Schonhaltung
  • Schwellung und Blutergüsse am Unterschenkel
  • Manchmal Knirschgeräusche (Krepitation)
  • Verformung des Unterschenkels bei verschobenen Brüchen
  • Sichtbare Weichteile und Knochenfragmente beim offenen Bruch.

Wann zur Arztpraxis

  • Sofort die Notärzt*in rufen,
  • bei starken Schmerzen, die Gehen oder Stehen unmöglich machen
  • wenn das Bein eine Fehlstellung zeigt.

Die Erkrankung

Das Schienbein bildet zusammen mit dem Wadenbein die knöcherne Basis des Unterschenkels. Seine Vorderkante liegt relativ ungeschützt unter der Haut. Kommt es durch Gewalteinwirkung zum Bruch, durchbohren die scharfen Bruchkanten oft die Haut von innen und verursachen einen offenen Knochenbruch. Ein isolierter Schienbeinbruch ist selten, meist bricht das Schienbein gemeinsam mit seinem dünneren Nachbarn, dem Wadenbein. Diese Verletzung heißt Unterschenkelbruch (Näheres dort).

Neben der Einteilung in den offenen und geschlossenen Bruch unterscheidet man Schienbeinbrüche auch nach der Lokalisation (Schienbeinkopffraktur, Schienbeinschaftfraktur, Pilonfraktur mit Beteiligung des Sprunggelenks) und der Art des Bruchs:

  • Einfacher Bruch mit zwei Knochenfragmenten
  • Keilbruch mit drei Knochenfragmenten
  • Komplexer oder Trümmerbruch mit mehr als drei Fragmenten.

Ursachen und Risikofaktoren

Das Schienbein bricht durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung auf den Knochen. Weil der Knochen relativ dick ist, sind für direkte Brüche recht große Krafteinwirkungen erforderlich. Häufige Ursache sind Verkehrsunfälle (Motorradunfälle oder Stoßstangenunfälle) oder ein heftiger Tritt gegen den Unterschenkel, z. B. beim Fußball.

Bei indirekten Verletzungen führen Drehungen oder Biegungen des Unterschenkels bei fixiertem Fuß zum Bruch. Ein typisches Beispiel ist die Skischuhrand-Fraktur, bei der das Schienbein kurz oberhalb des Skischuhs verbogen wird und bricht.

Auch ohne Unfall kann es zu Schienbeinbrüchen kommen. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Knochenqualität durch Osteoporose verringert ist. Bei alten Menschen führt deshalb manchmal schon ein banaler Sturz zum Schienbeinbruch, typischerweise am kniegelenksnahen Teil des Schienbeins, dem Schienbeinkopf. Ist der Knochen durch eine Tumorerkrankung vorgeschädigt, sind ebenfalls Brüche aus geringem Anlass möglich.

Ermüdungsbrüche des Schienbeins entstehen typischerweise bei Joggern, die ihr Trainingspensum zu rasch steigern und dadurch ihrem Unterschenkel eine zu hohe Belastung zumuten.

Komplikationen

Bei einer Verletzung am Unterschenkel sind neben dem Knochen auch andere Strukturen in Gefahr. So können Muskeln, Bänder oder Sehnen reißen. Werden dort verlaufende Nerven geschädigt, drohen Lähmungserscheinungen und Störungen der Sensibilität, also der Empfindungen der Haut. Je nachdem, wo der Bruch sitzt, ist manchmal auch das Kniegelenk oder das Sprunggelenk mitbetroffen.

Eine gefährliche Komplikation bei geschlossenen Brüchen ist das Kompartmentsyndrom. Dabei erhöht sich durch innere Blutungen und Flüssigkeitsansammlungen der Druck im Unterschenkel, sodass Nerven oder Muskeln Schaden nehmen. Das Kompartmentsyndrom ist immer ein chirurgischer Notfall, der eine sofortige Behandlung erfordert.

Bei offenen Brüchen droht die Wundinfektion, die sich bis in den Knochen hinein ausbreiten und eine Knochenentzündung auslösen kann (Osteitis oder Osteomyelitis).

Diagnosesicherung

Die Patient*in wird zum Unfallhergang, den Schmerzen und den Bewegungseinschränkungen befragt. Bei der klinischen Untersuchung achtet die Ärzt*in auf Fehlstellungen, Druckschmerzen und Knirschgeräusche am Bein sowie auf Begleitverletzungen. Um zu erkennen, ob Blutgefäße oder Nerven verletzt sind, prüft man die Pulse an Bein und Fuß und testet die Reflexe und die Sensibilität (Hautempfindlichkeit).

Im Röntgenbild von vorn und von der Seite zeigt sich der knöcherne Schaden meist gut. Normalerweise werden Knie- und Sprunggelenk immer mitgeröntgt, um eine eventuelle Beteiligung nicht zu übersehen. Je nach Lokalisation des Bruchs veranlassen die Ärzt*innen auch CT-Aufnahmen. So z. B. bei Schienbeinkopfbrüchen oder bei Schaftbrüchen, bei denen im Röntgenbild der Bruchverlauf nicht eindeutig zu erkennen ist.

In manchen Fällen sind zusätzliche Spezialuntersuchungen erforderlich:

  • Gewebedruckmessungen bei Verdacht auf ein Kompartmentsyndrom
  • Magnetresonanztomografie bei Verdacht auf zusätzliche Verletzungen von Weichteilen (Bändern, Meniskus)
  • Gefäßdiagnostik wie Dopplerultraschall oder Angiografie bei nicht tastbaren Pulsen.

Differenzialdiagnose. Ähnliche Beschwerden verursachen der Unterschenkelbruch, die Schienbeinprellung oder der Bruch des Sprunggelenks.

Behandlung

Prinzipiell kann der Unterschenkelbruch konservativ oder operativ behandelt werden. Bei der konservativen Therapie drohen vermehrt Komplikationen wie Thrombosen oder Pseudarthrosen (siehe unten), weshalb die Ärzt*innen beim Schienbeinbruch häufig die operative Therapie empfehlen.

Aufgrund der langen Ruhigstellung im Gips entscheiden sich viele Patient*innen freiwillig für die Operation. Nach einer Operation kann man auf einen Gips oft ganz verzichten und das Bein schon wenige Tage nach Operation zumindest teilweise belasten.

Konservativ

Eine konservative Behandlung mit Ruhigstellung im Gips ist bei geschlossenen, einfachen Brüchen möglich. Ebenfalls konservativ behandelt werden Patient*innen, bei denen eine gestörte Wundheilung zu erwarten ist (das ist z. B. bei Diabetiker*innen der Fall) oder die aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands inoperabel sind.

Die ersten 4–6 Wochen ist meistens ein Oberschenkelgips erforderlich, für die folgenden 2–4 Wochen genügt dann ein Unterschenkelgips oder eine Orthese. Während der Ruhigstellung besteht die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel in den Beingefäßen bilden. Deshalb ist in dieser Phase eine Thromboseprophylaxe mit gerinnungshemmenden Medikamenten unabdingbar. Nach der Gipstherapie schließt sich eine krankengymnastische Behandlung an, um die Muskulatur zu stärken.

Operativ

Für die operative Versorgung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bei einfachen Brüchen reicht es oft, die Bruchfragmente mit Schrauben oder Drähten zu fixieren. Vor allem in Gelenknähe verwenden die Ärzt*innen auch gerade oder gewinkelte Platten zum Stabilisieren der Knochen. Einen gebrochenen Schienbeinschaft versorgt man meist mit einem langen Marknagel, der von außen längs durch den Knochen geschoben wird.

Ungünstig sind Schienbeinkopfbrüche, die das Tibiaplateau einbeziehen: Da dieses die Gelenkfläche des Kniegelenks bildet, führen bleibende Unebenheiten oder Stufen unvermeidlich zur vorzeitigen Kniegelenksarthrose. Um die Gelenkfläche möglichst originalgetreu zu rekonstruieren, hebt die Operateur*in den abgesunkenen Teil des Tibiaplateaus an und unterfüttert ihn mit Knochensubstanz aus dem Beckenkamm. Schrauben oder spezielle Abstützplatten bewahren den Knochen vor erneutem Abrutschen.

Schwierig ist die Behandlung von offenen Brüchen. Um die Gefahr von Knocheninfektionen (Osteomyelitis) zu minimieren, erfolgt die Fixierung des Knochens mit möglichst wenig eingebrachtem Material – Drähten, Schrauben, einem Marknagel oder einem äußeren Spanner (Fixateur externe).

Behandlungskomplikationen

Vor allem im Rahmen der konservativen Behandlung kann es durch die lange Ruhigstellung zu einer tiefen Beinvenenthrombose kommen. Gefürchtete Komplikation bei der operativen Versorgung ist die Verletzung von Gefäßen und Nerven.

Heilt der Knochen nicht richtig aus, entwickelt sich manchmal eine Pseudarthrose (Falsch-Gelenk). Heilt er in einer falschen Position aus, bleibt eine Fehlstellung zurück.

Prognose

Einfache Brüche heilen meist nach etwa sechs Wochen wieder aus. Bei offenen Brüchen dauert die Heilung deutlich länger. Wie schnell das Bein wieder belastet werden darf, hängt von der Art des Bruchs und der Versorgung ab – die Spannbreite reicht von zwei Wochen bis sechs Monaten.

Auch bei optimaler Operationstechnik gelingt nicht immer eine befriedigende Heilung. Bleibende Fehlstellungen oder Knieinstabilitäten gehören zu den häufigsten Folgen.

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Was Sie selbst tun können

Nicht zu früh belasten. Damit der Knochenbruch gut heilt, darf das Bein auch in der Orthese oder im Gehgips nur so stark belastet werden, wie es die Ärzt*in vorgegeben hat.

Thrombosespritze nicht vergessen. Steckt das Bein im Gips oder in einer Orthese, muss sich die Betroffene in der Regel jeden Tag eine gerinnungshemmende Spritze geben. Wird die Thrombosespritze weggelassen oder vergessen, drohen Beinvenenthrombosen und die Verschleppung von Thrombosefragmenten in die Lunge (Lungenembolie).

Nicht unter dem Gips kratzen! Auch wenn es stark juckt, darf man sich keinesfalls mit einer Stricknadel oder Ähnlichem unter dem Gips kratzen. Denn dabei kann die Haut verletzt und infiziert werden.

Quelle: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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