Die Geburtsphasen

Eine normale Geburt verläuft in drei Phasen: der Eröffnungsphase, der Austrittsphase (früher Austreibungsphase) und der Nachgeburtsphase.

Eröffnungsphase

Die Eröffnungsphase beginnt, wenn die ersten muttermundwirksamen Wehen einsetzen. Das sind die Wehen, die den Gebärmuttermund öffnen. Beendet ist die Eröffnungsphase, wenn sich der Muttermund auf etwa zehn Zentimeter geweitet hat. Das dauert bei Erstgebärenden im Schnitt 8 bis 12 Stunden: Pro Stunde öffnet sich der Muttermund bei ihnen um etwa einen Zentimeter. Bei Frauen, die schon ein Kind geboren haben, geht das deutlich schneller. Hier endet die Eröffnungsphase meist schon nach 4 bis 8 Stunden.

Den Beginn der Eröffnungsphase erleben viele Frauen noch relativ entspannt. Die 30 bis 60 Sekunden dauernden Wehen haben zunächst nur leichte bis mittlere Stärke und treten bei vielen Frauen nur alle 15 Minuten auf. Oft können die Gebärenden in dieser Phase sogar noch Spazierengehen oder leichte Alltagstätigkeiten verrichten.

Der Name "Eröffnungsphase" deutet schon an, was sich in dieser Zeit in der Gebärmutter abspielt. Damit sich der Muttermund öffnen kann, muss sich der Gebärmutterhals verkürzen. Der Gebärmutterhals bildet den zur Vagina gerichteten Abschluss der Gebärmutter. Wie ein Zapfen ragt er in die Vagina hinein und wird durch den Muttermund verschlossen. In der Eröffnungsphase zieht sich der Gebärmutterhals Richtung Gebärmutter zurück, der Muttermund öffnet sich.

Jetzt drückt der Kopf des Kindes immer stärker auf die Fruchtblase, normalerweise bis diese reißt (Blasensprung). Manchmal springt die Fruchtblase aber auch schon vor Wehenbeginn oder in einer späteren Geburtsphase. In einigen Fällen bleibt die Fruchtblase sogar bis zur Geburt des kindlichen Kopfes bestehen („Glückshaube“).

Das letzte Drittel der Eröffnungsphase bezeichnet man auch als Übergangsphase. Die Wehen kommen schneller hintereinander, werden stärker und der Schmerz wird meist intensiver. Diese Phase ist zwar kurz – aber sehr anstrengend. Viele Gebärende haben jetzt das Gefühl, "nicht mehr zu können". Der Kopf des Kindes tritt nun tief durch das knöcherne Becken der Mutter. Dazu muss das Kind eine 90°-Drehung machen: Es landet am Ende der Eröffnungsphase im so genannten „tiefen Geradstand“, wobei in 95 % der Geburten das Kind mit dem Rücken zur Bauchdecke der Mutter zeigt.

Am Ende der Eröffnungsphase lässt sich die kleine Fontanelle von der Geburtshelfer*in gut tasten. Die kleine Fontanelle ist der Teil des kindlichen Hinterkopfs, an dem der Schädelknochen noch nicht zusammengewachsen ist.

Austrittsphase

Austrittsphase heißt der Zeitraum zwischen der vollständigen Öffnung des Muttermunds und der Geburt des Kindes. Sie dauert ungefähr ein bis zwei Stunden. Bei Frauen, die bereits Kinder geboren haben, ist sie meist kürzer. Auch wenn die Schmerzen in dieser Phase oft am stärksten sind – viele Frauen schöpfen nun nochmal neue Kraft, weil sie das Gefühl haben, dass etwas voran geht. Wie der Name "Austritt" schon andeutet, beginnt jetzt die "eigentliche" Geburt. Dabei richtet sich zunächst der Kopf des Kindes auf der Beckenbodenmuskulatur so aus, dass er gut in den Eingang des Geburtskanals passt.

Ist der Kopf des Kindes entsprechend tief im Geburtskanal, drückt er auf den mütterlichen Damm. Dies löst reflektorisch bei der Mutter einen Pressdrang aus und der aktive Teil der Austrittsphase beginnt. Erst jetzt kann und soll die Mutter durch Mitpressen die Geburt unterstützen. Vorher, in der passiven Austrittsphase, ist das ungünstig: Zu frühes Pressen drückt den noch nicht vollständig geweiteten Muttermund zusammen und begünstigt so ein Muttermundödem, also eine Wasseransammlung im Gewebe.

Länger als 30 Minuten sollten die Presswehen nicht andauern, weil sie für das Baby ein großer Stress sind.

Wenn es trotz Pressen nicht weitergeht, versuchen die Ärzt*in und die Geburtshelfer*in zunächst, die Kraft der Wehen mit ihren Händen oder mit einem um den Bauch der Mutter geschlungenen Tuch zu verstärken. Manchmal sind aber auch geburtshilfliche Instrumente wie die  Saugglocke (Vakuumextraktion) oder Geburtszange (Forcepsextraktion, Zangengeburt) notwendig. 

In den meisten Fällen liegt das Baby so, dass der Kopf als erstes aus der Scheide tritt. Dabei kann es zu Einrissen im Bereich hinter der Scheide und vor dem Darmausgang (Damm, Perineum) kommen. Letzteres bezeichnet man als Dammriss.Die Geburtshelfer*in versucht deswegen, den Damm der Mutter möglichst zu schützen. Ein leichter Gegendruck mit der Hand von außen soll den Druck des kindlichen Kopfs abfangen und das Einreißen verhindern. Zusätzlich können warme Kompressen dabei helfen, den gefährdeten Bereich elastischer zu machen.
Ist der Kopf entbunden, folgt meist mit der nächsten Presswehe die vordere Schulter und der restliche Körper des Babys. Nun wird die Nabelschnur durchtrennt, das Baby also abgenabelt.

Der Dammschnitt

Wenn klar wird, dass der Damm die Geburt nicht aushält, besteht die Möglichkeit eines Dammschnitts. Damit soll der Geburtskanal kontrolliert erweitert werden, statt aufzureißen. Ein solcher Dammschnitt wurde früher oft routinemäßig vorgenommen, um die Geburt zu erleichtern oder einem höhergradigen Dammriss vorzubeugen. Allerdings konnte gezeigt werden, dass ein Dammschnitt das weitere Einreißen des Dammes nicht zuverlässig verhindert. Außerdem heilt ein Dammschnitt meist langsamer und schmerzhafter als ein "natürlicher" Dammriss. Heute empfiehlt man den Dammschnitt deshalb nur bei

  • straffem Damm und großem Kindskopf
  • Notwendigkeit einer schnellen Geburt, z. B. aufgrund von krankhaftem Herzschlag im CTG
  • Geburtsstillstand durch Schulterquerstand des Kindes oder Beckenend-, Stirn- oder Gesichtslage
  • problematischer vaginaler operativer Entbindung.

Nachgeburtsphase


Auch wenn das Kind nun entbunden ist – für die Frau ist die Geburt noch nicht ganz vorbei. Die sich jetzt anschließende Nachgeburts- oder Plazentaphase dauert nochmals 10–30 Minuten. Dabei löst sich der Mutterkuchen von der Gebärmutterinnenwand.  Die Geburtshelfer*in unterstützt den Abgang des Mutterkuchens durch leichten, kontinuierlichen Zug an der Nabelschnur (cord traction).. Dass es bei der Lösung des gut durchbluteten Mutterkuchens blutet, ist normal – Blutungen von 300 ml sind kein Grund zur Sorge. Um den Blutverlust zu reduzieren, kann man der Mutter nach Abnabelung des Kindes Oxytocin intravenös verabreichen. Oft genügt es aber auch, der Mutter das Baby direkt nach der Geburt auf den Bauch zu legen – denn dadurch schüttet der Körper ganz natürlich das Bindungshormon Oxytocin aus.

Die Geburt ist erst beendet, wenn der Mutterkuchen als Nachgeburt „entwickelt“, das heißt vollständig aus dem Geburtskanal herausgepresst oder -gezogen wurde. Die Geburtshelfer*in begutachtet genau, ob der ganze Mutterkuchen und alle Eihäute da sind, denn bereits ein mandelgroßer Rest Mutterkuchen in der Gebärmutter kann dazu führen, dass sich die Gebärmutter nach der Geburt nicht ausreichend zusammenzieht (Uterusatonie). Dadurch kann es nachfolgend – auch noch Wochen später – zu starken und lebensgefährlichen Infektionen und Blutungen kommen.

Wenn der Mutterkuchen nur unvollständig ausgestoßen wurde, muss die Frauenärzt*in die Reste – eventuell in Kurznarkose – manuell lösen (Nachräumung) und vorsichtig eine Ausschabung vornehmen.

Quelle: Dr. med. Katja Flieger, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). | Aktualisierung 2022 von Sara Steer
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