Neues gegen Juckreiz

Am Immunsystem packen!
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Chronischer Juckreiz bedeutet einen hohen Leidensdruck für die Betroffenen. Denn das Jucken ist oft kaum auszuhalten, und Kratzattacken führen statt zu einer Besserung in einen Teufelskreis. Liegt eine behandelbare Erkrankung zugrunde, fällt es leichter, gegen den chronischen Juckreiz vorzugehen. Doch auch für den Juckreiz unbekannter Ursache gibt es inzwischen effektive Therapieoptionen.

Vom Alarmsignal zum Quälgeist

Juckreiz kann quälend sein - doch wie alle körperlichen Reaktionen hat auch der Juckreiz durchaus sinnvolle biologische Funktionen. Als Alarmsignal macht er auf mögliche Gefahren aufmerksam. Diese reichen von blutsaugenden Mücken über Kontakt zu giftigen Pflanzen bis hin zu trockener Haut. Juckreiz löst Kratzen aus und führt dazu, Insekten und Parasiten von der Haut zu entfernen. Das Kratzen aktiviert die Hautnerven und das Immunsystem, was die Abwehr gegen Krankheitserreger zusätzlich verstärkt.

Doch leider beschränkt sich Juckreiz nicht nur auf seine Alarmfunktion. Durch komplexe Mechanismen kann sich ein chronischer Juckreiz entwickeln, der den Betroffenen das Leben schwer macht. So hat sich gezeigt, dass Menschen mit chronischem Juckreiz stärker verzweigte Nerven in der Haut haben als gesunde. Das liegt vermutlich daran, dass die Nerven permanent von Botenstoffen und Entzündungszellen aktiviert werden. Auf diese Weise wird die Haut immer empfindlicher, und schon kleinste Berührungen können einen Juckreiz auslösen.

Auch viele Erkrankungen werden von Juckreiz begleitet. Entzündliche Hauterkrankungen wie Schuppenflechte und Neurodermitis, Stoffwechselstörungen und Lebererkrankungen können ihn ebenso auslösen wie Rheuma oder bestimmte Krebsformen. Und selbst neurologische Krankheiten können Juckreiz auslösen: Dazu gehören neben Multipler Sklerose insbesondere Erkrankungen der Körpernerven (Neuropathien) wie beispielsweise die Gürtelrose, eine diabetische Neuropathie oder Polyneuropathien. In seltenen Fällen entsteht Juckreiz auch im Rahmen psychischer Erkrankungen. Dies ist z.B. bekannt bei Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen oder dem Dermatozoenwahn. Bei letzterem glauben die Betroffenen, dass Insekten in ihrer Haut leben. Schlussendlich haben auch Medikamente das Potenzial, chronischen Juckreiz auszulösen. Beispiele sind manche Antibiotika, Opioide, Bluthochdruckmittel oder Krebstherapeutika.

Hinweis: Obwohl es so viele verschiedene Auslöser gibt, lässt sich beim chronischen Juckreiz oft keine Ursache finden. In diesen Fällen spricht man vom idiopathischen Juckreiz.

Jucken, Brennen, Schlaflosigkeit

Ein chronischer Juckreiz (medizinisch Pruritus) liegt vor, wenn die Beschwerden länger als sechs Wochen anhalten. Das ist relativ häufig: Bis zu 22% der Deutschen sollen im Laufe ihres Lebens davon betroffen sein. Im Alter steigt das Risiko, einen chronischen Juckreiz zu entwickeln. Oft wird er durch verschiedene Auslöser getriggert. Dazu zählen Jahreszeiten wie der Winteroder Tageszeiten wie die Nacht. Manchmal sind es auch Wasser, Stress oder Sonneneinstrahlung.

Der Juckreiz kann in vielen Formen auftreten. Oft ist er auf einzelne Körperbereiche wie z.B. die Handgelenke beschränkt, bei anderen juckt der gesamte Körper. Das Ausmaß variiert ebenfalls und reicht von leicht bis unerträglich. Manchmal ist der Juckreiz auch von Stechen, Brennen und Kribbeln begleitet.

Die Betroffenen leiden meist schwer darunter. Das ständige Jucken zwingt sie zum Kratzen und es entwickeln sich Hautveränderungen. Zunächst wird die Haut rot, dann aufgekratzt. Es kommt zu Blutungen, Geschwüren und Krusten. Langfristige Folgen sind Hautverdickungen, Narben und Knoten sowie helle und dunkle Verfärbungen. Das Aufkratzen der Haut birgt weitere Gefahren: Es drohen bakterielle Infektionen, die nicht nur das Abheilen der Läsionen gefährden. Gelangen Keime in die Blutbahn, ist im schlimmsten Fall sogar eine Blutvergiftung (Sepsis) möglich.

Doch der chronische Juckreiz hat nicht körperliche, sondern auch psychische Folgen. Wenn er vor allem nachts auftritt, leiden die Betroffenen unter erheblichen Schlafstörungen. Durch die Tagesmüdigkeit sind Konzentration und Antrieb gemindert, zusätzlich können sich Depressionen und Ängste entwickeln. Viele Patient*innen schämen sich aufgrund ihrer aufgekratzten Arme und Beine und tragen auch im Sommer lange Ärmel und lange Hosen. Sie trauen sich nicht ins Schwimmbad oder in die Sonne und meiden sportliche Aktivitäten. Expert*innen schätzen, dass chronischer Juckreiz die Lebensqualität insgesamt so stark einschränkt wie chronische Schmerzen. Trotzdem sucht nur jede Zweite ärztlich Hilfe.

Hinweis: Kratzen löst beim Juckreiz einen Teufelskreis aus: Zuerst empfindet das Gehirn den Kratzschmerz als angenehm, weil es dadurch den Juckreiz „vergisst“. Das vermehrte Kratzen schädigt die Haut jedoch weiter, und es wird erneuter Juckreiz ausgelöst – der wieder zu Kratzen führt.

Diagnose bei Juckreiz

Bei Patient*innen mit lang anhaltendem Juckreiz müssen zugrunde liegende Erkrankungen ausgeschlossen werden. In Frage kommen etwa:

Hinweis: Hilfreich beim Einkreisen von Juckreizursachen ist das Beschwerdetagebuch. Darin notieren die Betroffenen, wie stark der Juckreiz auf einer Skala von 0 bis 10 ist und in welchen Situationen er erscheint. Auf diese Weise kommt man nicht nur eventuellen Auslösern auf die Spur. Im weiteren Verlauf der Erkrankung lässt sich auch besser erkennen, ob eine Behandlung anschlägt.

Den Juckreiz abstellen

Liegt dem Juckreiz eine behandelbare Erkrankung zugrunde, muss diese entsprechend therapiert werden. Dann bildet sich häufig auch der Juckreiz zurück. Reicht dies nicht aus oder ist der Juckreiz idiopathisch, helfen Basismaßnahmen und juckreizhemmende Medikamente. Zu den allgemeinen, immer anwendbaren Strategien gehören folgende Maßnahmen:

Hinweis: Bei starkem chronischem Juckreiz sind psychotherapeutische Verfahren und standardisierte Schulungsprogramme eine gute Option. Die Betroffenen sollen dabei lernen, sich bei starkem Jucken auf andere Dinge zu konzentrieren und den Juck-Kratz-Zirkel zu unterbrechen.

Cremes und Medikamente gegen den Juckreiz

Meist reichen bei chronischem Juckreiz die Basismaßnahmen allein nicht aus. Sie können durch Cremes und Medikamente ergänzt werden.

Der entzündliche Juckreiz entsteht auf entzündlich veränderter, ekzematöser Haut. Dieser kommt beispielsweise bei der Neurodermitis, Urtikaria und Autoimmun-Erkankungen vor.

Der neuropathische Juckreiz beruht auf Nervenschädigungen. Sie spielen eine Rolle bei der Gürtelrose, bei Neuropathien im Rahmen von Stoffwechselerkrankungen (wie z. B. dem Diabetes mellitus) oder bei Nerveneinklemmungen. Der neuropathische Juckreiz beginnt auf gesunder Haut und ist oft von Stechen und Kribbeln begleitet.

Hinweis: Capsaicinpflaster dürfen nur in der ärztlichen Praxis und unter ärztlicher Aufsicht angewendet werden. Dass liegt daran, dass es dabei zu Nebenwirkungen wie Blutdruckanstieg kommen kann. Das Pflaster wird für 30 bis 60 Minuten aufgeklebt und dann wieder entfernt. Die Wirkung setzt nach etwa einer Woche ein und hält bis zu drei Monate an.

Quelle: Winterhagen I, DAZ 2024, 46: 48

Quelle: Dr. med. Sonja Kempinski
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