Trauer und Abschied

Nach Eintritt des Todes ist es weder nötig noch sinnvoll, gleich aktiv zu werden. Vielen Menschen hilft es, die Stille und Besonderheit dieses abschließenden Lebensmoments auf sich wirken zu lassen, den geliebten Menschen noch einmal in Ruhe anzusehen und ihm nachzuspüren. Für die meisten ist es aber auch der Moment, in dem die Gefühle der Trauer mit all ihrer Wucht über sie hereinbrechen.

Sterben begegnet uns zunächst als das Sterben anderer. Die Auseinandersetzung mit den damit verbundenen Ängsten und belastenden Gefühlen ist ähnlich dem inneren Ringen, das ein Sterbender durchmacht, wenn die Todesnähe bewusst erlebt wird. Sterben ist auch immer Interaktion – zwischen denen, die bleiben, und dem, der gehen muss.

Früher war es die Regel, die Verstorbenen mehrere Tage zu Hause oder in einer Kapelle aufzubahren, damit jeder seine Trauer bekunden und sich verabschieden konnte.

Auch heute ist es noch möglich, dass der Verstorbene nicht direkt in ein Beerdigungsinstitut gebracht wird. Je nach Landesrecht kann der Verstorbene bis zu 36 Stunden zu Hause aufgebahrt werden. Wollen die Angehörigen den Verstorbenen noch länger bei sich behalten, können sie einen Antrag bei der örtlichen Ordnungsbehörde stellen. Die Frist wird dann verlängert, wenn ein Arzt bescheinigt, dass keine hygienischen Bedenken dagegen bestehen.

Es ist vorbei

Während des Sterbens stehen die Bedürfnisse des Sterbenden im Mittelpunkt, und die Angehörigen sind meist so mit den Pflege- und Betreuungsmaßnahmen beschäftigt, dass sie das eigentliche Geschehen, den unwiderruflichen Abschied, erst in der Zeit danach richtig wahrnehmen und langsam lernen müssen, mit dem Verlust weiterzuleben.

Trauer ist sehr individuell. Hinterbliebene durchleben dennoch oft ähnliche Phasen wie die Sterbenden, indem sie versuchen, den Verlust zu bewältigen. Diese Phasen reichen von Verdrängung oder Betäubung des Schmerzes durch Arbeit, Wut oder Alkohol über totale Verzweiflung bis hin zu sozialem Rückzug und Suizidgedanken. Nicht selten erscheint der Verstorbene im Halbschlaf oder Traum und redet ganz normal – oder auch aus dem „Jenseits“ – mit dem Trauernden. Er ist einfach noch präsent. Besonders dann, wenn der Tod unerwartet eingetreten ist, kann diese Phase über Monate anhalten.

Kann man „richtig“ trauern?

Es gibt keine „richtige“ oder „falsche“ Art zu trauern. Weinen, Schmerz (auch körperlich), Wut, Leere, Schuldgefühle – aber auch die Unfähigkeit, den Schmerz zuzulassen, können dazu gehören.

Eine normale Reaktion ist der Versuch, mit dem Verstorbenen weiter Kontakt zu halten, sich an gemeinsamen Orten oder der Grabstätte an ihn zu erinnern und mit ihm Dialoge zu führen. Auch das gemeinsame Erinnern mit weiteren Angehörigen und Bekannten gehört zum Trauern.

Entsprechend ist wenig hilfreich, Trauernde abzulenken. Viel wichtiger ist es, zu jedem Zeitpunkt ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, Anteilnahme zu zeigen, ohne aber die vom Trauernden oft gewünschte Distanz zu überschreiten.

Professionelle Hilfe

Ohne Unterstützung durch nahestehende Menschen fällt ein Trauernder leicht in jahrelange Depressionen, Bitterkeit oder Isolation. Bietet das persönliche Umfeld nur wenig Hilfe und Zuwendung, oder ist die Alltagsbelastung kaum zu bewältigen, wenn z. B. kleine Kinder oder der Ehepartner des Verstorbenen zu versorgen sind, sollte rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Die Frage, wo die Grenze zur traumatischen, krankhaften Trauerreaktion überschritten ist, die der therapeutischen Hilfe bedarf, ist manchmal schwer zu beantworten. Es gibt Experten, die sechs Monate als Grenze setzen, nach denen sich wieder ein gewisses Maß an Normalität und Lebensfreude eingestellt haben sollte. In der Praxis aber sind andere Zeichen wichtiger.

Wenn Trauernde

  • An Schuldgefühlen leiden, den Angehörigen während des Sterbens nicht gut genug betreut oder ausreichend besucht zu haben
  • Am Sinn des eigenen Lebens zweifeln oder Suizidgedanken haben
  • Nichts mehr zu finden scheinen, das ihnen Freude bereitet, weder ihre Hobbys, ihre Arbeit, noch Musik oder Dinge, die sie früher besonders gern gemacht haben
  • Die Menschen um sich herum nur noch als Last empfinden

sollte zügig professionelle Hilfe gesucht werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, ist in diesen Fällen hoch. Konsultieren Sie Ihren Hausarzt, um rasch einen Psychotherapeuten zu finden, oder suchen Sie direkt einen Nervenarzt oder Psychotherapeuten auf. Ist Ihr Angehöriger palliativmedizinisch betreut worden, so vermitteln auch das Hospiz Angebote zur weiteren Betreuung. In vielen Städten gibt es auch kommunale oder kirchliche Institutionen, die zumindest eine Erstberatung durchführen können.

Weiterführende Informationen

  • www.rki.de – Website des Robert-Koch-Instituts, Berlin: Bietet Themenheft 2 zur Sterbebegleitung unter der Rubrik Gesundheitsberichterstattung, Stichwortsuche Sterbebegleitung, kostenlos zum Herunterladen oder Bestellen. Behandelt werden rechtliche Grundsätze bis zur Palliativmedizin und Hospizbewegung.
  • www.trauer.org – Privat betriebenes Trauerportal (Arzbach) zum Austausch unter Betroffenen.
  • J. Canacakis: Ich sehe deine Tränen. Lebendigkeit in der Trauer. Kreuz-Verlag, 2006. Verständlich geschrieben vermittelt das Buch, dass Trauer zum Leben gehört.
  • M. Nijs: Trauern hat seine Zeit. Abschiedsrituale beim frühen Tod eines Kindes. Verlag für angewandte Psychologie, 2003. Basierend auf Gesprächen mit betroffenen Müttern werden Anregungen und praxisbezogene Vorschläge geschaffen, die verwaiste Eltern einfühlsam unterstützen.

Quelle: Dipl.-Pflegew. (FH) Carmen Happe, Ruth Mamerow, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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