Hodenfehllagen

Häufigkeit (häufig)


chronische Erkrankungen: 2% - 10%
akute Erkrankungen: 5% - 25%

Hodenfehllagen (Lageanomalien des Hodens): Lage eines oder beider Hoden außerhalb des Hodensacks. Hodenfehllagen entstehen schon vor der Geburt; bei 3 % der termingerecht geborenen Jungen und 9–30 % der Frühgeburten liegen zum Zeitpunkt der Geburt ein Hoden oder auch beide nicht im Hodensack.

Ursache ist eine Störung des Hodenabstiegs durch den Leistenkanal in den Hodensack während der vorgeburtlichen Entwicklung. Der Hoden bleibt also oberhalb des Hodensacks hängen (Hodenhochstand, Maldescensus testis).

80 % der hochstehenden Hoden wandern innerhalb der ersten Lebensmonate spontan in den Hodensack. Ist dies nicht der Fall, wird der Hoden bis zum 1. Geburtstag operativ oder mit einer Hormontherapie in den Hodensack verlagert, um das Risiko für Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit und Hodenkrebs zu verringern.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Einseitig oder beidseitig leerer oder verkleinerter Hodensack ohne Falten.

Wann zum Arzt

In den nächsten Wochen, wenn

  • der Hoden auch in der warmen Badewanne nicht im Hodensack zu tasten ist.

Die Erkrankung

Ursachen

In der Embryonalzeit liegt der Hoden zunächst noch auf Höhe der Nieren und wandert erst dann über den Leistenkanal in den Hodensack. Dieser Abstieg (Hodendeszensus) unterliegt einem komplizierten Mechanismus, der von verschiedenen Hormonen gesteuert wird. Ursachen für einen sogenannten Maldescensus, also einen nicht vollständigen Hodenabstieg, sind:

  • Hormonmangel (zu wenig Androgene) oder Enzymdefekte, durch die ausreichend vorhandenes Androgen nicht auf die Zielorgane einwirken kann
  • Angeborene genetische Defekte
  • Behandlung der Mutter mit Clomifem, z. B. im Rahmen einer künstlichen Befruchtung
  • Verminderter Druck in der Bauchhöhle im Rahmen eines angeborenen Bauchdeckendefekts (Omphalozele, Gastroschisis)
  • Mütterlicher Alkohol- oder Nikotinkonsum.

Formen

Je nachdem, wo sich der Hoden befindet, unterscheidet man verschiedene Hodenfehllagerungen:

  • Leistenhoden (Inguinalhoden): Mit 70 % häufigste Form des Hodenhochstands, bei der sich der Hoden im Leistenkanal befindet. Sie tritt häufig in Kombination mit angeborenen Leistenbrüchen auf. Bauchhoden: Einer oder beide Hoden bleiben im Bauchraum. Meist liegt hier ein Kryptorchismus vor, d. h., dass ein Hoden weder sichtbar noch tastbar ist. Eine Anorchie (= völliges Fehlen eines oder beider Hoden) muss hier ausgeschlossen werden.
  • Gleithoden: Lage des Hodens knapp oberhalb des Hodensacks, zusätzlich ist der Samenstrang im Leistenkanal zu kurz. Der Hoden kann zwar in den Hodensack gezogen werden, gleitet aber nach dem Loslassen sofort wieder zurück.
  • Ektope Hoden: Einer oder beide Hoden liegen außerhalb der natürlichen Abstiegsstrecke, z. B. unter der Bauchhaut im Bereich der Leiste, nahe der Peniswurzel oder im Bereich des Oberschenkels.

Drohende Folgen und Komplikationen

Die normale Hodenlage ist wichtig, weil es nur im Hodensack kühl genug ist, um im Erwachsenenalter befruchtungsfähige Spermien zu bilden. In 70 % der Fälle droht bei unbehandelter beidseitiger Hodenfehllage eine Unfruchtbarkeit durch Schädigung dieser Stammzellen. Ein weiteres Problem ist das Risiko für Leistenbrüche, Hodentorsionen und die Entwicklung eines Hodenkrebses, das um ein Vielfaches erhöht ist.

Durch die rechtzeitige Operation mit Verlagerung des Hodens in den Hodensack bis zum 1. Geburtstag sollen Schäden in der Spermienreifung vermieden werden. Auch das Tumorrisiko wird vermindert, bleibt aber trotzdem lebenslang erhöht.

Sonderfall: Pendelhoden

Von den Hodenfehllagen abzugrenzen ist der Pendelhoden, bei dem sich die Hoden überwiegend im Hodensack befinden und nur zeitweilig nach oben rutschen. Ursache ist ein überaktiver Reflex des Hodenmuskels, der z. B. durch Kälte ausgelöst wird. Pendelhoden sind grundsätzlich harmlos, müssen jedoch kontrolliert werden, um den Übergang in einen Gleithoden auszuschließen.

Diagnosesicherung

Der Arzt versucht, den Hoden innerhalb des Hodensacks oder in der Leiste zu ertasten oder per Ultraschall zu finden. Bei speziellen Fragestellungen, z. B. nach weiteren Fehlbildungen, wird bei Bedarf eine Kernspinuntersuchung durchgeführt.

Sind die Hoden weiterhin nicht auffindbar, schließen sich Laboruntersuchungen an, um festzustellen, ob überhaupt Hodengewebe vorhanden ist. Dazu spritzt der Arzt dem Kleinkind das Schwangerschaftshormon Beta-HCG ins Muskelgewebe, wodurch normalerweise die Hormonproduktion des Hodens angeregt wird. Nach 1–2 Tagen kommt es zu einem deutlichen Anstieg des Testosteronwerts im Blut – bleibt dieser aus, so geht der Arzt davon aus, dass die Hoden komplett fehlen (Anorchie).

Besteht nun der Verdacht auf Bauchhoden, hilft eine Bauchspiegelung, Laparoskopie, die Hoden aufzufinden und zu entscheiden ob sie entfernt oder in den Hodensack verlagert werden.

Behandlung

Bauchhoden – Leistenhoden – Gleithoden

70–80 % der nicht herabgewanderten Hoden finden innerhalb von 3 Monaten nach der Geburt doch noch ihren Weg in den Hodensack. Ist dies nicht der Fall, beginnt die Therapie mit dem 6. Lebensmonat und sollte bis zum 1. Geburtstag abgeschlossen sein (siehe oben). Zur Verlagerung des Hodens in den Hodensack gibt es 2 Wege, die Hormonbehandlung und die Operation.

Hormonbehandlung. Eine Hormontherapie stimuliert die Bildung von Testosteron und unterstützt damit das spontane Herabwandern des Hodens. Die Hormone gibt es als Nasenspray (LHRH = Luteinisierendes Hormon Releasing Hormon: 3 x täglich für ca. 4 Wochen) oder sie werden direkt ins Muskelgewebe gespritzt (Beta-HCG = Humanes Choriongonadotropin: 1 x wöchentlich für 5 Wochen). Häufig werden die beiden Verfahren auch kombiniert: Auf die Therapie mit Nasenspray (2–4 Wochen) folgt die weitere Behandlung mit Spritzen (3 Wochen).

Die Hormontherapie kommt nur beim Hodenhochstand in Frage, beim ektopen Hoden zeigt sie keine Wirkung. Sie erfolgt zwischen dem 6. Monat und dem 1. Geburtstag, danach wird sie wegen zu erwartender Nebenwirkungen nicht mehr empfohlen.

Inzwischen ist die Hormontherapie jedoch umstritten, manche Experten lehnen sie sogar komplett ab. Hintergrund ist die enttäuschende Erfolgsrate (nur 20 %) und die Tatsache, dass jeder 4. Hoden wieder "aufsteigt". Außerdem steht Beta-HCG in Verdacht, die Fruchtbarkeit zu verschlechtern. Die Behandlung mit LHRH soll dagegen die Fruchtbarkeit verbessern, eine abschließende Beurteilung ist dazu jedoch noch nicht möglich.

Operative Behandlung. Bei der Operation legt der Arzt den Samenstrang frei, an dem Nebenhoden und Hoden hängen (Funikulyse). Anschließend zieht er den Hoden nach unten und näht ihn spannungsfrei im Hodensack fest (Orchidopexie). Der Eingriff wird unter Vollnarkose vorgenommen, denn der Patient muss unbedingt still liegen. Um eine Nachblutung in der operierten Körperregion zu vermeiden, sollte sich das Kind in den ersten Tagen körperlich schonen. Bei Infektionsanzeichen (Rötung, Schwellung des Hodens) oder starken Schmerzen ist unbedingt der Arzt aufzusuchen, weitere Kontrollen werden ambulant durchgeführt. Bei beidseitigem Hodenhochstand empfehlen einige Experten eine postoperative Hormonbehandlung, um die Fruchtbarkeit zu verbessern.

Sollten die Hoden nur sehr klein sein (häufig bei Bauchhoden), sind sowohl die Hormonbildung als auch die Spermienbildung stark gestört. Da "funktionsuntüchtig", sollten sie wegen des Tumorrisikos entfernt werden. Das Einsetzen einer Hodenprothese aus kosmetischen Gründen ist möglich, sollte allerdings erst nach der Pubertät erfolgen.

Ektoper Hoden

Beim ektopen Hoden ist eine Hormonbehandlung zum Anstoßen des natürlichen Abstiegs zwecklos, hier muss immer operiert werden.

Nachsorge

Im ersten Jahr nach der Operation kontrolliert der Arzt alle 3 Monate, ob der Hoden sich noch in der korrekten Lage befindet. Ist dies nicht der Fall, wird erneut operiert. Ab dem 15. Lebensjahr muss der Patient regelmäßig auf Hodenkrebs untersucht werden.

Prognose

Bis zu 80 % der verlagerten Hoden wandern innerhalb von 3 Monaten nach Geburt spontan in den Hodensack. Besonders häufig passiert dies bei Kindern mit niedrigem Geburtsgewicht, beidseitigem Hodenhochstand und normalen Hodensäcken.

Der unbehandelte Hodenhochstand führt zu einer eingeschränkten Zeugungsfähigkeit. Ob die Operation die Fruchtbarkeit verbessert, ist umstritten, das Gleiche gilt für die Hormonbehandlung.

Die Rate eines Hodentumors ist bei allen Betroffenen 3–8-fach erhöht. Bei unbehandeltem Hodenhochstand steigt das Risiko sogar noch an und liegt bis zu 30-fach über dem Risiko der Normalbevölkerung.

Ihr Apotheker empfiehlt

  • Wenn Ihr Kind wegen eines Hodenhochstands operiert wurde oder eine Hormonbehandlung erhalten hat, prüfen Sie regelmäßig, ob die Hoden noch korrekt im Hodensack liegen.
  • Bei Hodenhochstand ist das Krebsrisiko erhöht. Zur Früherkennung sollten Betroffene (wie im übrigen alle Männer zwischen 14 und 40) monatlich ihre Hoden auf Verhärtungen abtasten, möglichst in entspannter Stellung unter der Dusche oder in der Badewanne. Damit die Selbstuntersuchung nicht zum Tabuthema wird, sollten Eltern ihre Söhne rechtzeitig darüber aufklären. Broschüren dazu gibt es z. B. bei den Kinderärzten (siehe unten).

Weiterführende Informationen

Link zu einer Broschüre zur Selbstuntersuchung der Hoden für Jungen auf der Website www.kinderaerzte-im-netz.de: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/fileadmin/pdf/Broschueren_Dr._B._Stier/160318_Achte_auf_deine_Nuesse_-Flyer_bvkj-autorisiert.pdf

  • www.leitlinien.net – Ärztliche Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH, Berlin): Die Stichwortsuche Hodenhochstand liefert eine gute Übersicht zu Diagnostik und Therapiemöglichkeiten.
  • www.KinderaerzteimNetz.de – Internetseite des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Köln: Der Suchbegriff Hodenhochstand liefert eine gute und ausführliche Beschreibung der Erkrankung.
  • www.operieren.de – Internetseite des Berufsverbands für Ambulantes Operieren e. V. (BAO, Bonn): Zum Stichwort Hodenhochstand werden verständlich formulierte Informationen rund um die Operation bereitgestellt.

Quelle: Dr. med. Martina Sticker, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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