Hörgeräte

Nach aktuellen Untersuchungen sind 18 % der Deutschen schwerhörig – Tendenz steigend. Obwohl Hörschäden weit verbreitet sind, gestehen sich viele Betroffene nur ungern ihre Hörprobleme ein und lassen sich aus Angst vor negativen Reaktionen aus dem Umfeld erst spät behandeln. Dabei ermöglichen moderne Hörgeräte bereits nach wenigen Monaten Eingewöhnungszeit eine deutlich bessere Verständigung. Und mittlerweile sind sie oft so klein und unauffällig, dass sie kaum noch stören.

Typische Bauformen von Hörgeräten

Es gibt verschiedene Typen von Hörgeräten, die alle nach demselben Prinzip funktionieren: Mikrofone empfangen den Schall aus der Umgebung, verstärken ihn pegel- und frequenzabhängig und leiten ihn über einen Lautsprecher an das Ohr weiter. Digitale Hörgeräte verfügen oft über eine Vielzahl von Funktionen, die z. B. das Telefonieren erleichtern oder die Eigengeräusche des Körpers wie Kauen, Schlucken oder Sprechen ausfiltern. Teilweise haben sie spezielle Sprach- und Situationserkennungsprogramme, unterdrücken Rückkopplungen und Mikrofonrauschen, sind fernbedienbar und kompatibel für unterschiedlichstes Zubehör. Den nötigen Strom erhält das Hörgerät über Knopfzellen; sie halten je nach Verbrauch 1–4 Wochen.

Bei Hinter-dem-Ohr-Geräten (HdO-Geräten) sitzt das eigentliche Hörgerät hinter dem Ohr und ist über einen Schallschlauch mit einem Ohrpassstück (Otoplastik) verbunden, das in das Ohr eingesetzt wird. Sie bieten die vielfältigsten Möglichkeiten, Hörschäden zu versorgen. Moderne Varianten besitzen eine Kombination aus mehreren Mikrofonen und können so die gewünschte Geräuschquelle (z. B. Sprache von vorne) gezielt verstärken und nicht erwünschte Geräusche (z. B. die Musik von hinten) reduzieren.

Bei HdO-Geräten liegen die Mikrofone (hinter dem Ohr) und der Lautsprecher (nahe des Trommelfells) weit auseinander. Dieser große Abstand ermöglicht eine hohe Verstärkung, mit der sich auch eine starke Schwerhörigkeit korrigieren lässt. Sitzen Mikrofon und Lautsprecher zu nahe beieinander, gibt es schnell störende Rückkopplungen. Ein weiterer bauartbedingter Vorteil ist, dass das Ohrpassstück nicht den kompletten Gehörgang ausfüllen muss.

Moderne Hörgeräte werden immer kleiner, oft bieten Hersteller dasselbe Modell in verschiedenen Ausführungen und Größen an. Während das „In-The-Ear“-Gerät die gesamte Ohrmuschel ausfüllt, schließt das „In-The-Canal“-Gerät mit dem Gehörgang ab und ist kaum noch zu sehen. Noch winziger ist das „Complete-In-Canal“-Gerät.

Ein durchgängiges Ohrpassstück reflektiert dagegen den vom Körper selbst erzeugten Schall und erzeugt so einen dumpfen Klang. Bei leichter Schwerhörigkeit kann bei HdO-Geräten jedoch ein Stück frei bleiben (z. B. durch eine Bohrung), sodass ein Druckausgleich möglich wird und ein natürlicheres Hörgefühl entsteht. HdO-Geräte lassen sich zudem einfach reinigen und sind sehr robust – sie können z. B. schon kurz nach dem Duschen ins Ohr eingesetzt werden, auch wenn der Gehörgang noch nicht ganz trocken ist. HdO-Geräte erfordern allerdings etwas Übung beim Telefonieren, da das Mikrofon hinter dem Ohr sitzt.

Heute werden vielfach so genannte Mini-HdO-Geräte mit einer extrem kleinen Schlauchhalterung und einem offenen Ohrpassstück eingesetzt. Im-Ohr-Geräte (IO-Geräte) sitzen vollständig im Ohr und lassen sich leicht einsetzen bzw. wieder herausnehmen. Die nötige Elektronik sitzt in einem individuell angepassten Gehäuse, das in den Gehörgang gesteckt wird. Da das Mikrofon im Gehörgang sitzt, nutzen IO-Geräte die Form der Ohrmuschel für ein natürliches Richtungshören. IO-Geräte sind sehr unauffällig und eignen sich gut für Brillenträger, da der Platz hinter den Ohren frei bleibt. Ihre geringe Größe bringt jedoch auch Nachteile mit sich: In den kleinen Gehäusen hat nur eine kleine Batterie Platz, sodass auf manche Funktionen verzichtet werden muss. Außerdem sind die winzigen Mikrofon-, Hörer- und Belüftungsöffnungen schwierig zu reinigen und reagieren empfindlich auf Feuchtigkeit.

Eine Kombination aus Seh- und Hörhilfe sind die so genannten Hörbrillen, an deren Brillenbügel Hörgeräte montiert sind.

Andere Formen von Hörhilfen

Wenn das äußere Ohr bzw. der Gehörgang fehlgebildet ist, kann das Hörgerät oft nicht über ein Ohrpassstück befestigt werden. Sofern vor allem die Luftleitung gestört ist, helfen Hörgeräte, welche die Knochenleitung verstärken. Diese Hörhilfen geben den Schall in Form von Schwingungen über den knöchernen Warzenfortsatz an das Innenohr weiter. Diese Geräte heißen Knochenleitungshörgeräte (KL-Geräte).

Häufig werden Knochenleitungshörgeräte an Hörbrillen befestigt; vom Brillenbügel aus übertragen sie Vibrationen auf den Warzenfortsatz hinter dem Ohr und versetzen so über den Schädelknochen das gesamte Mittel- und Innenohr in Schwingungen. Knochenleitungshörgeräte können auch mit einer Titanschraube direkt am Knochen befestigt werden.

Zeigen gewöhnliche Hörgeräte keinen Erfolg, können Knochenleitungshörgeräte auch implantiert werden. Implantierbare Hörgeräte (Mittelohrimplantat) wie die Vibrant Soundbridge® bestehen aus einem inneren Teil, der in den Warzenfortsatz eingebaut wird, und einem äußeren Teil, der außen hinter dem Ohr getragen wird. Das Mikrofon und die Elektronik sitzen im äußeren Teil. Er wird durch einen unter die Haut implantierten Magneten gehalten oder kann auf eine Titanverankerung gesteckt werden. Der innere Teil empfängt das Signal direkt unter der Haut und leitet es über ein Kabel an den Signalgeber weiter, der die Gehörknöchelchenkette direkt bewegt (z. B. am Amboss ansetzend).

Anpassung des Hörgeräts

Die Auswahl des geeigneten Geräts richtet sich nach dem individuellen Hörbefund und den Wünschen des Patienten. Die Verordnung des Hörgeräts erfolgt durch den HNO-Arzt, anschließend übernimmt in der Regel ein Hörgeräteakustiker seine Anpassung. Die Anpassung und das Training mit dem neuen Hörgerät dauern etwa 3–4 Monate.

Ton- und Sprachaudiogramm liefern lediglich eine Empfehlung für die Auswahl des Hörgerätetyps und dessen Einstellung. So lassen sich grobe Richtwerte für die Anpassung von Frequenzen (Tonhöhen) und Dynamik (Lautstärke) ableiten, die dann an das subjektive Hörempfinden des Betroffenen angepasst werden. Dazu spielt der Arzt oder Hörgeräteakustiker dem Hörgeräteträger Klangbeispiele aus dem alltäglichen Leben vor und lässt ihn diese bewerten, bis er die Lautstärke, Klangfarbe, Sprachverständlichkeit und Störgeräusche als angenehm empfindet.

Für Kinder eignen sich ausschließlich HdO-Geräte, da ihre Ohrmuschel noch wächst und die Ohrpassstücke leichter „mitwachsen“.

Cochlea-Implantate – Hilfe für Taube

Ein Sonderfall unter den Hörhilfen ist das Cochlea-Implantat (CI-System), das sogar Tauben eine auditive Wahrnehmung ermöglicht, sofern ihr Hörnerv funktioniert. Es umgeht das geschädigte Innenohr und leitet die Höreindrücke als elektrische Impulse direkt an den Hörnerv weiter.

Das CI-System besteht aus einem inneren und einem äußeren Teil. Während einer Operation unter Vollnarkose implantiert der Arzt eine Empfangspule und einen Magneten in eine ausgefräste Mulde im Schädelknochen und führt von dort aus Elektroden in die Gehörschnecke ein. Das ist der innere Teil. Der äußere Teil besteht aus einem Mikrofon, einem Signalprozessor, der die Sprache in elektrische Impulse umwandelt und einer Sendespule. Er wird bei modernen CI-Systemen wie ein normales Hörgerät hinter dem Ohr getragen und durch den Magneten gehalten. Manche CI-Systeme verfügen über ein separates Gehäuse für den Signalprozessor, das am Gürtel getragen wird.

Die mit einem Cochlea-Implantat übermittelten Höreindrücke unterscheiden sich stark von den Sinneseindrücken eines normal Hörenden; sie sind durch die Anzahl der Elektroden stark limitiert. In speziellen Rehabilitationszentren muss deshalb geübt werden, Geräusche und Sprache wiederzuerkennen. Nach einigen Monaten Rehabilitationsbehandlung gelingt das meist so weit, dass Sprache wieder verstanden wird.

Manche Patienten erhalten nur auf einer Seite ein Implantat, manche auch beidseits. Mit zwei Implantaten gelingen das Sprachverständnis in unruhigen Situationen und das Richtungshören in der Regel besser. Der Erfolg hängt auch von der Ertaubungsdauer, der Sprachkompetenz, dem Zustand der Hörnerven und von der Motivation zum Erlernen der ungewohnten Höreindrücke (bzw. für Sprachlaute überhaupt) ab. Besonders erfolgreich verläuft die Behandlung daher bei Erwachsenen, die erst kürzlich ertaubt sind und zeitnah mit Cochlea-Implantaten versorgt wurden. Gehörlos geborene Erwachsene profitieren kaum von einer Implantatversorgung.

Inwieweit taube Kleinkinder mit Cochlea-Implantaten versorgt werden sollten, ist jedoch umstritten. Der Erfolg ist am größten, wenn sie in den ersten zwei Lebensjahren implantiert werden. Aus medizinischer Sicht ist dies das Beste. Sind die Eltern selbst gehörlos, fürchten sie jedoch oft, dass die Gebärdensprache und ihre eigene Gehörlosenkultur durch die Konzentration auf die Lautsprache an den Rand gedrängt werden. Daher wachsen diese Kinder oft bilingual auf, d. h. erlernen zuerst die Gebärdensprache und später die Lautsprache. Oft erhalten sie daher auch erst später Cochlea-Implantate.

Träger von Cochlea-Implantaten sind besonders gefährdet, an einer Mittelohrentzündung zu erkranken, aus der sich eine lebensbedrohliche Hirnhautentzündung entwickeln kann. Um dieser vorzubeugen, empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) Cochlea-Implantat-Trägern Impfungen gegen die häufigsten Erreger der Mittelohr- und Hirnhautentzündung, also Haemophilus influenzae Typ B, Streptokokken, Pneumokokken sowie Menigokokke

Quelle: Dr. Ute Koch, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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