Glomerulonephritis

Häufigkeit (ziemlich selten)


chronische Erkrankungen: 0,1% - 0,4%
akute Erkrankungen: 0,2% - 1%

Glomerulonephritis (GN, Nierenkörperchenentzündung): Schwere, akute oder chronische Entzündung der Nierenkörperchen beider Nieren, oft mit unbekanntem Auslöser. Manchmal ist eine Glomerulonephritis die Spätfolge einer bakteriellen Entzündung wie Scharlach oder Mittelohrentzündung, manchmal ist sie Bestandteil einer schweren rheumatologischen Erkrankung.

Behandelt wird abhängig von der Ursache vor allem mit Diät, Salz- und Flüssigkeitskontrollen sowie Medikamenten, in schweren Fällen auch mit einer Blutwäsche. Betroffene Kinder haben sehr gute Heilungschancen, die Hälfte der erwachsenen Patienten behält hingegen einen Nierenschaden zurück, der lebenslang kontrollbedürftig ist.

Eine Glomerulonephritis betrifft immer beide Nieren. Darin liegt auch die Gefahr bei dieser Erkrankung, denn nicht selten führt die Glomerulonephritis zum chronischen Nierenversagen.

Symptome und Leitbeschwerden

Akute Form:

  • Ödeme (Wassereinlagerungen), vor allem im Gesicht
  • Krankheitsgefühl mit Müdigkeit, Kopfschmerzen und Fieber
  • Blut im Urin (Urin sieht aus wie Cola oder Eistee) oder schaumiger Urin
  • Schmerzen im Rückenbereich, etwas oberhalb der Taille oder der Lendenregion
  • Erhöhter Blutdruck.

Chronische Form:

  • Appetitlosigkeit und Mundgeruch
  • Übelkeit
  • Juckreiz.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen bei

  • nachlassendem Appetit und häufigerer Übelkeit oder
  • starkem Juckreiz am ganzen Körper.

Heute noch, wenn

  • morgens nach dem Aufwachen das Gesicht geschwollen ist
  • Blut im Urin ist
  • kurz nach einer Infektionskrankheit wieder Fieber auftritt
  • starke Schmerzen in der Nierengegend auftreten.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Glomerulonephritiden, die in primäre und sekundäre Formen eingeteilt werden. Die primären Formen entwickeln sich direkt an den Nierenkörperchen, die sekundären Formen entstehen im Rahmen einer anderen Grunderkrankung wie z. B. dem Lupus erythematodes oder dem Goodpasture-Syndrom. Allen gemeinsam ist jedoch, dass bei ihrer Entstehung das Immunsystem beteiligt ist.

So patrouillieren z. B. ständig Abwehrzellen des Immunsystems im Blut, um Krankheitserreger zu identifizieren und die Bildung von Antikörpern (körpereigenen Abwehrstoffen) einzuleiten. Mit dem Blutstrom werden Antikörper oder Antigen-Antikörper-Komplexe auch in die Nieren geschwemmt, wo sie sich bei einer Glomerulonephritis in den Nierenkörperchen festsetzen und dadurch eine Entzündung auslösen.

Im Einzelnen kommt es zu einer Glomerulonephritis, wenn

  • sich Bestandteile von Bakterien mit Antikörpern zusammenballen und Antigen-Antikörper-Komplexe bilden (Immunkomplexnephritis).
  • das Immunsystem die Antikörper nicht gegen die Antigene von Bakterien und Viren, sondern überschießend gegen Bestandteile der Membranen der Nierenkörperchen (Autoantikörper) produziert, z. B. im Rahmen einer Antibasalmembran-Glomerulonephritis, membranösen Glomerulonephritis.
  • sich die Nierenkörperchen aus unbekanntem Grund entzünden (idiopathische Glomerulonephritis).

Abgesehen von diesen drei Formen gibt es viele weitere Unterformen der Glomerulonephritis.

Einteilung

In der Praxis hat es sich bewährt, die Einteilung nach den Beschwerden und dem Verlauf vorzunehmen, sodass zwischen akuten und chronischen Formen unterschieden wird.

Akute Glomerulonephritis: Häufig handelt es sich hierbei um eine Immunkomplexnephritis, die im Rahmen einer Infektion mit Bakterien auftritt, genauer gesagt mit Streptokokken der Gruppe A, die auch Scharlach oder Mittelohrentzündungen auslösen. Nach überstandener Infektion kommt es wenige Wochen später zu einer akuten Glomerulonephritis, weshalb diese Form Poststreptokokken-Glomerulonephritis genannt wird.

Eine seltene, jedoch besonders aggressive Form der akuten Glomerulonephritis ist die rasch progrediente Glomerulonephritis. Sie betrifft vor allem Menschen mit rheumatologischen Erkrankungen und führt innerhalb weniger Monate zum Nierenversagen.

Chronische Glomerulonephritis: Sie entwickelt sich schleichend über viele Jahre und bleibt deshalb lange unentdeckt, da die Ursachen nur selten offensichtlich sind und auch nur in Ausnahmefällen zuerst ein akutes Stadium auftritt. Die Patienten haben lange nur milde und allgemeine Beschwerden. Wenn überhaupt, wird die Diagnose meist per Zufall gestellt, z. B. wenn der Arzt bei einer Routineuntersuchung geringe Mengen Blut oder Eiweiß im Urin entdeckt. Die chronische Glomerulonephritis ist nicht heilbar und führt im Allgemeinen zur Dialysepflicht.

Diagnosesicherung

Da die akute Glomerulonephritis relativ typische Beschwerden verursacht, wird die Krankheit oft früh entdeckt. Im Urin der Patienten lassen sich immer Eiweiße und kleine Mengen Blut feststellen. Blutuntersuchungen zeigen eine überwundene Streptokokkeninfektion oder eine rheumatologische Erkrankung an. Unerlässlich ist die Nierenbiopsie, zumindest bei größeren Eiweißverlusten über 2000 mg pro Tag (Makroalbuminurie) und hohen Kreatininwerten.

Die chronische Glomerulonephritis wird vielfach bei einer Routinekontrolle des Urins diagnostiziert. Wie bei der akuten Form finden sich auch bei der chronischen Glomerulonephritis Eiweiße und kleine Mengen Blut im Urin. Zusätzlich misst der Arzt den Blutdruck.

Differenzialdiagnosen. Es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden wie die Glomerulonephritiden aufweisen. Akute Schmerzen im Flankenbereich finden sich z. B. bei Nierenbeckenentzündung und Nierensteinen. Eiweiß im Urin kommt bei der diabetische Nierenschädigung, bei Blutkrebs oder der Nephrosklerose vor. Für Blut im Urin sind u.a. Entzündungen von Blase oder Niere, Nierensteine sowie Tumoren wie Harnblasenkrebs oder Nierenkrebs verantwortlich.

Behandlung

Für alle Formen der Glomerulonephritis sind mehr oder weniger die gleichen Behandlungsmaßnahmen angezeigt. Dazu gehören:

  • Körperliche Schonung, um die Heilungsprozesse zu fördern
  • Eiweißarme Kost, um die Niere zu entlasten und die Eiweißausscheidung zu vermindern
  • Bei Ödemen: salzarme Diät und eventuell entwässernde Medikamente (Diuretika), um die Flüssigkeit auszuschwemmen
  • Bei Bluthochdruck: bluthochdrucksenkende Medikamente, bei chronischer Glomerulonephritis sind Blutdruckwerte unter 130/80 mmHg anzustreben
  • Bei hohen Eiweißverlusten: ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten
  • Nikotinabstinenz. Rauchen ist ein Risikofaktor für die Entwicklung der Glomerulonephritis.

Je nach Ursache kommen spezielle Therapien hinzu:

  • Bei einer Infektion mit Streptokokken: das Antibiotikum Penizillin oder ein Cephalosporin, bei anderen bakteriellen Erregern entsprechende Antibiotika
  • Bei einer rheumatischen Erkrankung: Intensivierung der Therapie der rheumatischen Erkrankung, z. B. durch Kortison oder durch Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken wie z. B. Cyclophosphamid
  • Bei der rasch progredienten Glomerulonephritis evtl. auch Plasmapherese zur Entfernung von Antikörpern und Autoimmunkomplexen
  • Bei deutlich sinkender Ausscheidung: Dialyse, evtl. Nierentransplantation

Prognose

Gute Aussichten haben Patienten mit einer akuten Poststreptokokken-Glomerulonephritis, da diese Form, rechtzeitig therapiert, bei über 90 % der Kinder und bei 50–75 % der Erwachsenen vollständig ausheilt.

Die Aussichten der rasch progredienten Glomerulonephritis hängen stark vom Zeitpunkt der Diagnose und der Therapie ab. In 40 % der Fälle ist die spätere Dialysepflicht nicht zu verhindern.

Die chronische Glomerulonephritis, z. B. bei rheumatischen Erkrankungen, hat eine schlechte Prognose. Die meisten Patienten müssen sich innerhalb weniger Jahre mit der Dialyse abfinden.

Weiterführende Informationen

  • www.bundesverband-niere.de - Website des Bundesverbandes Niere mit bundesweiten Adressen von Selbsthilfegruppen, einer gebührenfreien Hotline für Fragen rund um die Niere und andere Unterstützung und Informationen für chronisch Nierenkranke.

Quelle: Dr. med. André Lauber, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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